27.02.2025
Das gesündeste Leben ist eines ohne Alkohol
Das Blaue Kreuz Schweiz gibt neue Empfehlungen zum Alkoholkonsum heraus. Diese enthalten keine Trinkmengen mehr. Die Anpassung der Empfehlungen wurde notwendig, nachdem die WHO erklärt hat, dass kein Alkoholkonsum sicher ist und auch geringe Mengen schädlich sein können.
«Mit den neuen Empfehlungen bricht das Blaue Kreuz das Eis in der Schweiz,» sagt Philipp Hadorn, Alt-Nationalrat und Präsident des Blauen Kreuzes Schweiz, begeistert. «Wir eröffnen damit die Diskussion um den Alkoholkonsum. Und unser Ziel ist es, Schäden zu verhindern.» Die neuen Empfehlungen des Blauen Kreuzes beruhen auf der Position der WHO sowie auf den offiziellen Empfehlungen anderer Länder, wie Kanada und Australien, sowie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Neu: Die sechs Empfehlungen
«Wir geben konkrete Empfehlungen an die Bevölkerung, die leicht anwendbar sind und dem Stand der Wissenschaft entsprechen,» fährt Marc Peterhans, Geschäftsführer des Blauen Kreuzes Schweiz, fort. «Am schlechtesten für den Körper ist das Rauschtrinken, deswegen gibt es Konsumweisen die besser sind. Auch die zeigen wir auf. Es gibt aber Situationen, wie Autofahren, und verschiedene Lebensumstände, wie z.B. Schwangerschaften, in denen gar nicht getrunken werden sollte,» fasst der Geschäftsführer des Blauen Kreuzes Schweiz den Stand des Wissens zusammen.
- Das gesündeste Leben ist eines ohne Alkohol.
- Weniger Alkohol trinken ist besser.
- Es gibt Arten, Alkohol zu trinken, die besser sind als andere (langsam trinken, viel Wasser und andere alkoholfreie Getränke zu sich nehmen, vor und während des Alkoholtrinkens essen, die Trinkmenge kontrollieren, eine tiefere Zielmenge festlegen).
- Es gibt Lebensumstände, in denen kein Alkohol getrunken werden sollte (Schwangerschaft, Stillphasen, Adoleszenz), da sich Alkohol negativ auf die Entwicklung des Gehirns auswirken kann.
- Es gibt Situationen, in denen kein Alkohol getrunken werden sollte (beim Autofahren, bei schwerer körperlicher Arbeit, beim Sport, bei der Einnahme von Drogen und Medikamenten, bei Hitze, bei wichtigen Entscheidungen, in Situationen, in denen man Verantwortung für andere trägt), da Alkohol eine Dehydrierung verursachen kann oder durch Konzentrationsschwund und Fehleinschätzungen Unfälle entstehen können.
- Erwachsene haben eine Vorbildfunktion und sollten diese wahrnehmen.
Keine Trinkmengen mehr
Das Blaue Kreuz Schweiz verzichtet ab jetzt auf Trinkmengen, «weil schon kleine Mengen Alkohol schädlich sein können und keine gesunde Menge Alkohol bekannt ist,» weiss Philipp Hadorn.
«Zwar enthält Rotwein Substanzen, wie Resveratrol, die an sich die Blutgefässe, also auch das Herz, schützen. Diese positiven Effekte werden aber von den negativen, vor allem dem Krebsrisiko, aufgewogen. Deshalb gilt: Das gesunde Glas Rotwein gibt es nicht.» hält Marc Peterhans fest.
Unterschiedliche Alkoholeinheiten
Verschiedene Länder und Organisationen haben eigene Richtlinien für empfohlene Trinkmengen und definieren den „Standarddrink“ jeweils anders. Als Faustregel für den Standarddrink gilt: 10 g reiner Alkohol (Ethanol). Das sind ein Viertel Liter Bier (250 ml mit 5 % Alkohol des Gesamtvolumen), oder ein Glas Wein (100 ml mit 12 %) oder ein Glas Schnaps (20 ml mit 40 %).
Erklärung der WHO 2023 und die Anpassungen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in der Lancet Public Health Ausgabe vom 7. Januar 2023 erklärt, dass Alkoholkonsum auch in kleinen Mengen Gesundheits- und Krebsrisiken erhöhe. Ausserdem gäbe es keine Schwelle für einen sicheren Alkoholkonsum, unter der es kein Krebsrisiko gibt.
Kanada (2023) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2024) haben ihre Empfehlungen zum Alkoholkonsum nach der WHO-Position von Januar 2023 angepasst, während Australien seine Richtlinien bereits 2020 aktualisiert hatte. Kanada empfiehlt, vollständig auf Alkohol zu verzichten. Falls dennoch Alkohol konsumiert wird, gelten maximal zwei Standardgetränke pro Woche als risikoarm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, keinen oder möglichst wenig Alkohol zu trinken. Der australische National Health and Medical Research Council (NHMRC) empfiehlt, nicht mehr als zehn Standardgetränke pro Woche und nicht mehr als vier an einem Tag zu konsumieren. Alle drei weisen auf das Risiko hin, das auch durch kleine Mengen Alkohol entsteht und sich erhöht.
Wissenschaftliche Evidenz seit 2016
Schon 2016 publizierte Stockwell und andere eine Metastudie zum Gesundheitseffekt des Alkoholkonsums. Sie entdeckten, dass kranke Nichttrinkende ("Sick Quitter") den gesunden Abstinenten zugeordnet worden waren. Dies liess die Abstinenz schlechter erscheinen als sie ist. Werden die "Sick Quitter" rausgerechnet, bestätigt sich auch für moderat Trinkende, was bis dahin für alle anderen Alkoholtrinkenden galt: je mehr Alkohol konsumiert wird, desto höher ist das Krankheitsrisiko.
Mittlerweile werden die Ergebnisse von Stockwell et al. sowie nachfolgender Forschung von der Alkoholindustrie und ihr nahestehenden Wissenschaftlern kritisch hinterfragt. Diese Taktik ist von der Tabakindustrie her bekannt und wird als BAD bezeichnet: Block – Alter – Deny. Die Alkoholindustrie ist in der Verleugnungsphase ("deny"), in der sie die wissenschaftlichen Ergebnisse unwissenschaftlich in Frage stellt. Das ist verständlich, da es ihr um Milliarden Franken Umsätze und eine sehr grosse Profitspanne geht. Alkohol, vor allem Bier und Spirituosen, kann sie sehr billig herstellen.
Alkohol ist kein normales Konsumgut
In der Schweiz verursacht Alkohol soziale und medizinische Schäden. 250’000 bis 300'000 Menschen leiden unter einer Alkoholabhängigkeit. Das sind um die 3% der Bevölkerung. 10% der Bevölkerung trinken 50% der Alkoholmenge und haben einen problematischen Konsum. Ca. 100'000 Kinder wachsen in Familien auf, in denen mindestens ein Elternteil alkoholbelastet ist. Schätzungsweise 1'700 Kinder werden mit Schäden durch Alkohol geboren. Jährlich sterben um die 1'600 Menschen an Alkohol. Das drückt sich in einem volkswirtschaftlichen Schaden von 2,8 Milliarden Franken aus.
Alkohol verursacht Krebs
Sieben Krebsarten, alle entlang der Verdauung plus Brustkrebs bei Frauen, stehen im Zusammenhang mit Alkohol. Seit 1987 respektive 2012 stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) Alkoholabbauprodukte respektive Ethanol in alkoholischen Getränken als karzinogen für den Menschen ein (Gruppe 1), zusammen mit Tabak, Asbest und Gamma-Strahlung. Die WHO geht davon aus, dass die Hälfte der dem Alkohol zurechenbaren Krebsfälle auf leichten oder moderaten Alkoholkonsum zurückzuführen sind.